hr-iNFO Büchercheck: Die Orient-Mission des Leutnant Stern von Jakob Hein

hr-iNFO Büchercheck: Die Orient-Mission des Leutnant Stern von Jakob Hein

28.06.2018

Jakob Hein ist der zweite Sohn des Schriftstellers Christoph Hein, aber schon lange ein Autor eigenen Ranges. 14 Bücher hat der 1971 in Leipzig geborene Jakob Hein mittlerweile veröffentlicht. Sein jüngster Roman heißt „Die Orient-Mission des Leutnant Stern“. hr-iNFO Bücherchecker Alf Mentzer hat den Roman gelesen.

Worum geht es?
Jakob Hein erzählt in diesem Roman eine tolldreiste Episode aus dem Ersten Weltkrieg, die sich so tatsächlich zugetragen hat. Edgar Stern war ein in Frankfurt geborener deutsch-jüdischer Leutnant, der im November 1914 eine Gruppe von 14 muslimischen Kriegsgefangenen, getarnt als Zirkustruppe, quer durch Feindesland von Berlin nach Istanbul bringen sollte. Das hört sich verrückt an, geht aber auf einen Plan der deutschen Heeresführung zurück: Man hatte die Idee, Muslime der Welt unter Führung des türkischen Sultans zum Heiligen Krieg, also zum Dschihad, aufzustacheln, um so die Kolonialmächte Frankreich und England im Kampf gegen Deutschland zu schwächen. Ein Plan, der allerdings einige Schwachstellen hatte – und so heißt es im Roman: „Der Sultan konnte oder wollte das deutsche Anliegen anfangs nicht verstehen. Die Aufgabe des Freiherrn bestand also darin, dem Sultan die Vorstellung eines Dschihad so zu suggerieren, dass der Sultan die Idee am Ende für die seine hielt.“
Um den türkischen Sultan doch noch von der Teilnahme am heiligen Krieg zu überzeugen, sollten die Kriegsgefangenen nach Istanbul gebracht und dort freigelassen werden. Das ist „Die Orientmission des Leutnant Stern“.

Wie ist es geschrieben?
Der Roman liest sich wie eine Satire, wobei Jakob Hein dem historischen Material wahrscheinlich gar nicht viel hinzufügen musste, so absurd war das ganze Unternehmen. Aber man merkt, wie viel Spaß es dem Autor gemacht hat, diese irrsinnige Geschichte zu erzählen: „In den kommenden Wochen hatte Stern das zweifelhafte Vergnügen, den Plan, entstanden in seinem Kopf und ausgearbeitet mit einer Handvoll Pionieren bei vielen Gläsern Wein, in die knochentrockene Realität des preußischen Militärwesens übersetzen zu müssen, was sich anfühlte, als versuche man, einer Lokomotive den Walzer beizubringen.

Jakob Hein erzählt mit hörbarer Lust an der Pointe und nimmt sich doch gleichzeitig als Autor sehr zurück. Er präsentiert diese Geschichte nicht nur aus dem Blickwinkel Sterns, sondern auch aus Sicht der anderen Beteiligten, und dieses und Mit- und Gegeneinander von kulturell ganz unterschiedlichen Perspektiven lässt das Ganze nochmal witziger werden.

Wie gefällt es?
Es ist eine tolle Geschichte, unterhaltsam und witzig erzählt, ohne dass der Sinn für die Abgründigkeit des Geschehens verloren gegangen wäre. Wenn Edgar Stern etwa in Istanbul die in Brand gesteckten Kirchen der Armenier sieht, dann wird klar, dass diese aberwitzige Orientmission vor dem Hintergrund schlimmster Tragödien geschieht. Darüber hinaus erzählt Jakob Hein aber auch eine Geschichte, die zeigt: Vor einhundert Jahren fühlte sich Deutschland durchaus dem Islam verbunden. Und das ist doch eine welthistorische Pointe, die zu denken gibt.

hr-iNFO

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gebundenes Buch, 241 S.
Sprache: Deutsch
Galiani Berlin
ISBN: 9783869711720